Baia Mare 6.10.23
Die Maramures (gesprochen Maramuresch) mit Baia Mare als Hauptstadt wurden 1199 erstmals erwähnt. Aber man weiß, dass hier die Daker schon 1000 vor Christi gesiedelt haben. Ab dem 13. Jahrhundert waren die Ungarn hier und im 17. und 18. Jahrhundert die Tartaren. Die Gegend ist bekannt als traditionellste Gegend von Transsylvanien mit vielen Holzkirchen und hölzernen Bauernhäusern mit reichen Schnitzereien.
Mit seinen heute 100.000 Einwohnern wurde Baia Mare oder Frauenbach oder Groß-Neustadt 1142 erstmals urkundlich erwähnt, als der ungarische König Geza hier Deutsche ansiedeln ließ. Traurige Berühmtheit erlangte der Ort nach einer Katastrophe in 2000, als hier nach dem Dammbruch einer Absetzanlage für metallurgische Abfälle durch Freisetzung von Natriumcyanid und Schwermetallen schwere Umweltschäden entstanden. Wegen dieses Ereignisses wurde Baia Mare in einer Studie des Blacksmith-Instituts aus dem Jahr 2006 über die am stärksten verseuchten Städte der Welt erwähnt. Die Stadt liegt in einer Bergbauregion, vor allem Gold wurde hier geschürft.
Ich hatte gestern Abend schon gesehen, dass nicht weit von mir, in einem sehr sehr sozialistischen Gebäude eine Touristeninformation war. Da bin ich dann heute auch hingegangen und ein netter Typ gab mir Tipps.
Ich wollte gerne zu den berühmten Holzkirchen in dieser Gegend, hatte aber keinen Bus gefunden, der mich zu einer von denen hinbringen würde. Er bestätigte, dass und meinte entweder ein Auto mieten oder mit dem Taxi fahren. Was wollte ich nicht, unter anderem, weil ich meinen Führerschein nicht dabei hatte. da, schüttelte er aber den Kopf und meinte, das wäre nicht wichtig.
Wenn ich einen hätte, könnte man das im Ernstfall online rauskriegen. Den Mietwagen Verleiher würde das nicht weiter stören. Ich aber fühlte mich damit nicht wohl, in einem fremden Land, nicht so ganz legal rum zu eiern. Was würde wohl ein Taxi kosten? Ein Uber fällt aus, weil ich in der App keine hin und her Fahrt und oder Wartezeiten eingeben kann. Also fragte ich an einem großen Platz einen der wahrenden Taxifahrer. Hier überlegte kurz und meinte dann: 60 Lei. Ich sagte ja aber hin und zurück Und eine halbe Stunde warten, errechnete noch mal nach und ich meinte irgendwas mit 1 Million. Dann berichtete er sich aber und sagte 100. Ich bedankte mich erst mal und ging weg, dann ging ich wieder zurück, zeigte ihm zwei fünfziger und fragte ihn, ob das die 100 sei, die er meinte. Er nickte und wir waren handelseinig.
Er sprach ganz brauchbares Englisch und erzählte mir, dass er in Deutschland (Augsburg) und in Italien gearbeitet habe. Sein Name war Oltean.
Er war ein wirklich netter Kerl, und die Unterhaltung lief zwar etwas holprig, aber trotzdem wurde die Zeit nicht lang. Nach einer knappen halben Stunde erreichten wir die erste kleine Kirche. Sie war zwar sehr urig und aus dicken alten Holzbalken gebaut und sie lag auch direkt neben einem malerischen Friedhof aber sie war auch winzig klein und leider nicht zugänglich. Schade.
Aber dann fuhren wir weiter nach Surdesti, wo angeblich die größte Holzkirche in Europa steht.
Und ja, die war verdammt groß. Der Turm ist 54 m hoch und die Kirche selber 300 Jahre alt. Man konnte sie von innen besichtigen und das war wirklich etwas, was ich noch nie gesehen habe. Überall dicke Schafwollteppiche und dicke Auflagen auf den wenigen Sitzen. Sehr viele wohl auch uralte Wandmalereien und zwei Räume.
Der vordere Raum für die Männer, der hintere für die Frauen. Diese Kirche ist komplett aus Holz gebaut, also auch Beiwerk, wie zum Beispiel Nägel sind nicht aus Metall, sondern es sind auch Holzstifte. Es ist eine griechische orthodoxe Kirche und den Christen wurde damals hier in der Gegend nicht erlaubt, Kirchen aus Stein zu bauen.
Deshalb haben sie diese Technik angewandt. Ohnehin sind die Maramures ein Holzgebiet. In den riesigen Wäldern wurde damals sehr viel Holz geschlagen auch sehr viel Eiche. Es gibt eine Treppe zur Empore, die komplett aus einem Baumstamm geschnitzt worden ist. Ein einzigartiges Bauwerk, ich bin froh das ich es gesehen habe.
Ich hatte mich warm angezogen, so mit langer Jeans und Sweatshirt, aber nun wurde es langsam warm, also musste ich nach Hause mich wieder etwas erleichtern. Auf dem Weg dorthin erzählte mir Oltean dann auch noch, dass ihn heute noch weitere Gäste im Voraus gebucht hatten für eine längere Tour. Es waren Italiener, die hierher gekommen waren, um eine Zahnbehandlung durchführen zu lassen. so etwas dauert hier 14 Tage und ist sehr sehr viel billiger als in Deutschland. Interessant zu erfahren.
Leichter bekleidet, ging ich nun zu den beiden ethnografischen Museen, die es hier gab. Das erste Museum war in einem sehr großen, weißen Bau untergebracht, vor dem eine riesige Wiese war. Toller Standort!
Die Ausstellungsstücke zeigen Werkzeuge zur Holzgewinnung und Bearbeitung. Die großen Wälder hier waren ein riesiges Reservoir für diesen Handwerkszweig.
Ich lerne, dass es oft üblich war, hölzerne Pfähle in den Vorgarten zu stellen, die stilisierte Köpfe zeigten.
Sie repräsentieren die Anzahl der Kinder, die es in dem Haus gab.
Ausgestellt wurde auch ein Stock für den Hirten zu Verteidigung gegen Bären oder Wölfe. Tough!
Ich habe schon früher mal die sehr reich geschnitzten und bemalten Truhen gesehen, die auch hier ausgestellt wurden. Sie wurden ursprünglich geschaffen, um die Aussteuer der Töchte zu bewahren, wurden aber dann auch als Dekoration benutzt oder auch für Zeremonien.
Die hier gezeigten Truhen sind über 200 Jahre alt.
In den Maramures heißt es, dass es Unglück bringt, wenn jemand ohne Kreuz beerdigt wird. Deshalb wird auf die Kreuze sehr viel Augenmerk gelegt und in der Regel werden sie wegen der Langlebigkeit aus Eiche gefertigt, in den neueren Zeiten allerdings auch aus Stein.
Die ältesten Kreuze sind die keltischen mit der Sonne in der Mitte des Kreises.
Interessant ist auch die Totenzeremonie. Verwandte des Toten gingen in den Wald und stellten dort den Sarg her aus Eiche oder anderen langlebigen Hölzern. Der Sarg wurde auf den Tisch gestellt und blieb hier für drei Tage. Während der Zeit wurden verschiedene Rituale durchgeführt um die tote Person auf das Leben danach vorzubereiten .
Normalerweise ist der Tisch zur gleichen Zeit gebaut worden wie das Haus, also kam es oft vor, dass der Tote auf dem gleichen Tisch lag, auf dem er auch als Baby gelegen hatte. Der Spiegel wurde mit weißen Leinentücher verhängt, damit die Seele sich darin nicht sehen konnte.
Man glaubte, dass die Seele unendlich schön sei, und wenn sie sich selbst erkennen würde, würde sie den Raum nicht verlassen. Unter dem Tisch stand ein Topf, in dem die Seele sich ausruhen konnte, wenn sie müde war. Dieser Topf wurde zerbrochen, wenn der Tote aus dem Haus gebracht wurde, um zu verhindern, dass die Seele da blieb.
Direkt hinter dem Museum gab es noch einen Friedhof. Die Namen auf den prächtigen Grabstein waren eindeutig ungarische Namen, die Gegend hat ja lange zu Ungarn gehört.
Während ich langsam den Weg hoch ging, hörte ich hinter mir herzerweichendes Schluchzen. Eine Trauergesellschaft war hinter mir, und man brachte den Sarg zu seinem Platz. Auch hier gab es keine Wege zwischen den Gräbern, so dass die vier Sargträger mit dem sicherlich schweren Sarg, halsbrecherisch über die anderen Gräber klettern mussten. Und die Trauergemeinde, ungeachtet ihres Alters, hinterher.
Das nächste Museum war nicht weit entfernt und war etwas schwieriger zu begehen. Es war ein Freilichtmuseum, wo man aus verschiedenen Gegenden des Landes Häuser aufgebaut hatte. In der Regel sind die Häuser aus dem 19. Jahrhundert. Aber es gibt auch welche aus dem 18. oder sogar aus dem 17. Jahrhundert. Es sind alles Holzhäuser und sie repräsentieren den Stil der jeweiligen Gegend.
Die Gebäude sind alle komplett eingerichtet mit den Gegenständen aus der damaligen Zeit . Die typische Ausstattung sind: ein großer Ofen, in dem offensichtlich auch gekocht wurde, ein eher schmales Bett, eine Babywiege, einige Bänke oder Liegen an den Wänden, wo wahrscheinlich die Kinder geschlafen haben, einen Tisch und ein paar Stühle. Sanitärräume? Nein! So etwas fand wohl draußen statt.
Die Böden bestehen aus gestampfte Lehm. Die Kirche ist das älteste Gebäude hier, sie ist von 1630. Leider ist sie geschlossen. Schade!
Bei den anderen Gebäuden variieren die Aufteilung und die Dächer oder auch die Zäune, mit denen sie umgeben sind. Zeitzeugen eines sehr einfachen und harten Lebens. Aber sehr, sehr liebevoll aufgebaut und präsentiert. Das war das zweite Ethnographie Museum hier, beide zusammen bilden eine gelungene Einheit.
Später am Nachmittag bin ich noch zum Butchers Tower gegangen. Das ist ein alter Wachturm, der zur Befestigung der Stadt gehört hat und der einer von acht Türmen in der Stadtmauer war.
Der „Fleischerturm“ wurde so genannt, weil die Innung der Fleischer dafür verantwortlich war. Es ist ein 500 Jahre alter, gut restaurierte Turm, den ich mir einfach mal ansehen wollte. Empfangen wurde ich von einer kleinen, drahtige Frau, die ausgezeichnet englisch sprach und die mich ansah und sagte: komm mit, ich mache eine Führung! Und so wackelte ich hinter ihr her in den eigentlich unspektakulär Turm.
Um dieses Haus zu finanzieren, haben sich die Leute etwas einfallen lassen, in dem sie Ausstellungen organisieren. In dem Vorgarten gibt es einzelne kleine Kammern, in denen lokale Kunsthandwerker ihre Gegenstände ausstellen und teilweise auch verkaufen.
Der Innenraum des Turms ist oft für Kunstausstellung genutzt worden, heute aber ist es ein Kino und es wird ein alter Hitchcock Film gezeigt.
Die Frau lud mich herzlich ein, teilzunehmen, aber ich sagte, einen rumänischer Film wäre vielleicht nicht das richtige für mich. Da lachte sie und meinte, normalerweise werden Filme hier nicht synchronisiert und wenn, dann wird einfach über die Originalsprache drüber gesprochen.
Das bedeutet also man hört ein Durcheinander in dem Fall von Englisch und Rumänisch. Untertitel kennt man hier nicht.
Daher war sie sehr froh, dass der Film nur im Original gezeigt wurde. Sie erzählte mir viel über die Geschichte des Turms und auch über einen Verbrecher, der hier in der Nähe erschossen worden ist, und der einen ähnlichen Ruf wie Robin Hood hatte.
Seine Waffen wurden hier ausgestellt, sie war sich aber auch nicht sicher, ob das wirklich seine Original Waffen waren. Ihr Hauptaugenmerk lag aber auf dem Garten, den sie im Innenhof angelegt hatte. Im Original war hier nur ein Brunnen und ein paar Bänke
Und nun war hier ein biodiverser Garten. Sie beklagte sich sehr, dass Menschen das Gefühl für die Natur immer mehr verlieren, vor allem in Rumänien, da hier ja Natur im Überfluss vorhanden war. Ich konnte ihren Punkt gut verstehen und sie hat sich mit dem Garten auch sehr viel Mühe gegeben.vielleicht war diese ganze Anlage nicht so spektakulär, aber das Engagement und die Liebenswürdigkeit der Frau machte das mehr als wett!
Auf der Suche nach einer Bäckerei für einen kleinen Mittags Imbiss kann ich zufällig am Markt vorbei. Der stand zwar bei mir auf dem Zettel aber ich hatte ihn noch nicht so im Fokus.
Um so besser. Es ist ein typischer Markt wie ich ihn auch schon aus anderen Städten kenne, alles ist sehr ordentlich und sauber und es gibt viele intensive Gerüche von irgendwelchen Gewürzen. Und, wie immer total bunt.
Hier gibt es natürlich viele Wälder, so werden hier auch viele Pilze angeboten, die auch wirklich sehr lecker aussehen. Ich aber habe jetzt erst mal geschaut ob ich irgendwo einen Schnellimbiss sehe, wie sie oft auf diesen Märkten sind. Und sehr schnell fand ich eine ganze Reihe solcher Läden und ging zu dem, an dem es am vollsten war.
Das ist immer eine sichere Strategie. Knapp 10 Minuten später hatte ich ein sehr leckeres Sauerkraut, eine Art Krakauer Wurst und Unmengen von Senf. Sehr lecker danach musste ich erst mal für eine kurze Pause nach Hause.
VIP-Tour durch das Museum
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