Trauriger Regentag am 8.10.23
Die Stadt, die gestern so freundlich zu mir war, ist heute nicht mehr so freundlich. Es ist kalt und es regnet. Ich hatte mir vorgenommen, heute nach Breb zu fahren, das ist ein Ort, an dem die Zeit wohl endgültig stehen geblieben ist. Das ganze Dorf ist so wie vor 100 Jahren. Das wäre bestimmt interessant gewesen, aber der Bus, der mich dahin bringen würde, kehrt erst um 6:00 Uhr nachmittags wieder zurück und so lange wollte ich da ganz bestimmt nicht bleiben, vor allem nicht bei dem Wetter. Die Frage lautete: „La ce oră pleacă autobuzul spre Breb și când se întoarce?“ Und die Antwort kam dann mit Fingersprache. Das hat ja wenigstens geklappt, nur schade wegen des Trips.
Er sollte sich zeigen, dass dieser Tag in zweierlei Hinsicht doof werden würde. Einerseits wegen des Wetters, andererseits wegen meines (alternativen ) Plans für heute.
So ging ich durch das trübe Sighetu zum Eli Wiesel Haus.
Wiesel war ein jüdischer Journalist, der später mit dem Schreiben angefangen hat und vor allem durch Vorträge über den Holocaust an den Juden und über Freiheit und Gleichberechtigung zu seinem Ruhm kam. In den 80igern bekam er den Friedensnobelpreis.
Hier geht es um den Holocaust in Rumänien und speziell in Nord-Transsilvanien. Der Holocaust richtete sich gegen Juden, Sinti, Roma, behinderte, politische Gegner und Homosexuelle.
Es gab hier Vernichtungslager in Bessarabien, Bukova und weiteren Orten. Transnistrien war eine der größten Gegenden, wo Juden systematisch ermordet wurden.
Zwischen 180.000 und 280.000 Juden aus Rumänien und der Ukraine wurden in den Jahren getötet. Weitere 135.000 Rumänen ebenfalls.
Um die 25.000 Roma (die Hälfte davon Kinder) wurden nach Transnistrien gesendet und verschwanden dort.
Eine fürchterliche Bilanz.
In Rumänien war Adolf Eichmann der Architekt dieser ganzen Aktion und er hat 130.000 Juden alleine aus Nord Transsilvanien nach Ausschwitz bringen lassen.
Wiesel wurde in Sighetu geboren. Zu der Zeit (1928) war Sighetu eine überwiegende jüdische Stadt.
Auch in der gesamten Maramureş-Region lebten viele Juden. Die hiesige Gemeinde war sehr tolerant und Neuem gegenüber aufgeschlossen. Als der Krieg begann, nahm man wahr, dass in Polen, in Deutschland und auch in der Ukraine Aktionen gegen die Juden gefahren wurden, aber man glaubte nicht, dass das auch für die zu derzeit ungarischen Juden zutreffen würde.
1944 kamen die deutschen in die Maramureş und starteten sofort unter dem Kommando von Adolf Eichmann die Ghettoisierung und danach den Abtransport der Opfer.
Wiesel und seine beiden Schwestern überlebten in Buchenwald.
Nach dem Krieg arbeitete Wiesel als Journalist und begann dann, viel zu schreiben, wovon sein Buch „Nacht“ der größte Erfolg war. Es wurde in viele Sprachen übersetzt. Wiesel reiste um die Welt, um über den Holocaust und seine Erfahrungen zu berichten, aber er war auch ein starker Kämpfer für Menschenrechte.
Von den 32.000 Juden, die in der Stadt Sighetu Marmatiei und in der näheren Umgebung gewohnt haben, sind nach dem Krieg nur 2100 zurückgekehrt.
Das Haus selber war nicht sooo interessant, vor allem, weil die gezeigten Einrichtungen nur Beispiele aus der Zeit waren. Die Originale sind alle verloren gegangen.
Die erzählte Geschichte aber war sehr interessant, zugleich aber auch sehr deprimierend.
Nach dem Museumsbesuch hat sich die Lage draußen verschlechtert. Schon vorher war es ja sehr dunkel, grau und kühl gewesen und es hatte auch leicht genieselt.
Jetzt aber gab es ergiebigen Regen bei 13°.
Nachts gehen die Temperaturen dann auch bis auf 1° runter. Hier geht es auf den Winter zu.
Ich flüchtete mich in einen Supermarkt, damit wenigstens die Schuhe nicht ganz so nass werden.
Es sind Sneakers aus Textil, die saugen sich natürlich voll wie ein Schwamm und das ist bei den Temperaturen nicht schön.
Aber lange konnte ich auch nicht bleiben und so musste ich wieder raus. In circa 200 m Entfernung (Dauerlauf) war eine Dönerbude, die mir dann ein neues zu Hause geben musste. Hier war es trocken und es gab auch eine Toilette. Ich habe einen Krispy Döner bestellt, der sehr lecker war, allerdings, wenn man als Bartträger so etwas isst, sieht man hinterher aus, als ob einem einer eine Torte ins Gesicht geworfen hat.
Ich habe natürlich sehr, sehr langsam gegessen, weil es draußen nicht so aussah, als ob es wirklich besser werden würde. Von hier aus bis zu meiner Unterkunft sind es 25-30 Minuten zu Fuß.
Aber im Prinzip war es egal. Meine Schuhe, Socken und Füße waren schon jetzt kalt und nass.
Mist!
Da man draußen nichts machen konnte oder sollte, beschloss ich, ins Gefängnis zu gehen.
Das Gefängnis wurde 1897 von den österreichischen ungarischen Behörden gebaut und zwar aus Anlass der Feiern zum ersten ungarischen Jahrtausend.
So weit der erfreuliche Teil der Geschichte.
Nach 45 wurde Sighetu als Durchgangslager für ehemalige Gefangene und Deportierte aus der Sowjetunion genutzt. Eine Weile war das Gefängnis unter sowjetische Kontrolle, dann wurde es zu einem politischen Gefängnis umgewandelt. in den fünfziger Jahren wurden 90 Beamte aus dem ganzen Land in die Haftanstalt gebracht, ehemalige Minister Mechaniker, Wirtschaftswissenschaftler, Historiker, und so weiter. Die Mehrheit der Häftlinge war über 60 Jahre alt. Später kam 50 griechische katholische und römisch katholische Bischöfe und Priester dazu und die Gesamtzahlstiege auf über 200 Insassen.
Die Häftlinge wurden unter schlimmsten Umständen eingesperrt und gequält. Man hat dann 1955 eine Amnestie gewährt, weil Rumänien den Vereinten Nationen beitreten wollte.
Über 50 der Häftlinge war bereits gestorben, ihre Leichen wurden heimlich beerdigt. 1975 wurde das Gefängnis aufgelöst.
Insgesamt wurden in der rumänischen Volksrepublik 2 Millionen Personen durch Zwangsmittel diskriminiert. Zwischen 45 und 89 wurden 600.000 Personen verurteilt, andere hundertausende wurden in Verwaltunghaft genommen, also ohne Prozess inhaftiert.
Verhör-Raum mit Darstellung von unterschiedlichen Foltermethoden
Es gibt einen Kartenraum, in dem die Lage der verschiedenen Arbeits- Isolations- Umerziehungs- und Deportation-Gefängnisse dargestellt wird. Danach war definitiv das ganze Land ein Gefängnis.
Das Gebäude hat 3 Etagen mit etwas über 90 Zellen und Kammern. Jede Zelle hat ein eigenes Thema und seine eigenen Exponate. Es geht hier einerseits ein bisschen um die Geschichte des Gefängnisses, aber der größere Anteil handelt von der kommunistischen Bewegung in Rumänien und auch in den Nachbarstaaten wie Polen Ungarn Jugoslawien Moldawien …
Die Machenschaften und Strategien der Kommunisten, angefangen mit fake-news und Wahlfälschung bis zur Auslöschung des Intellektuellen Lebens (ähnlich wie bei den roten Khmer) werden detailliert präsentiert und aufgearbeitet.
Nach dem durch die Russen initiierten Kommunismus hat dann Ceausescu das ganze System noch weiter verfeinert und mit der Securitate weiteres Leid in die Bevölkerung gebracht - und das auch noch nach dem Nazi-Terror.
1993 hat man begonnen, das alte Gefängnis umzubauen in eine Gedenkstätte und in ein Zentrum der Aufarbeitung der Geschichte des Kommunismus in Rumänien. Die Schwierigkeit bestand darin, dass der Kommunismus in seiner Blütezeit alle Zeugnisse der Vergangenheit ausgelöscht hat, um seine eigene Geschichte zu schreiben.
Aber es ist den Kuratoren gelungen, eine gute Präsentation zu machen.
Um so schlimmer, dass es immer noch Kräfte gibt, die wie Putin wieder diese Zeit aufleben lassen wollen.
Als ich das Gefängnis dann verließ, war ich gründlich deprimiert und sehr verfroren.
Ich wußte zwar durch meine Vorbereitung, dass hier in den Maramures schlimme Dinge geschehen sind, aber ich habe es mir nicht so vorgestellt.
Ich war erst noch einen Kaffee trinken und bin dann in mein Appartement gegangen in der Hoffnung, da einen Haartrockner zu finden, um die Schuhe trockenzuföhnen und vielleicht auch meine Füße wieder warm zu bekommen.
Aber leider gab es keinen Föhn. Aber warmes Wasser in der Dusche. Und die Socken habe ich in der Mikrowelle trocken und wunderbar warm bekommen. Den Socken und den Füßen wurde also geholfen…
Ach, noch was: meine Eltern Bruder hat sich jetzt auch im hohen Alter erstmals aufgerafft und ist alleine verreist. Habe ich hier in der Familie einen Trend gesetzt?
Er ist für zehn Tage in Italien und lässt sich die Sonne auf dem Bauch scheinen. Wettertechnisch wahrscheinlich die bessere Wahl.
Abends bin ich dann in mein hiesiges Lieblingsrestaurant gegangen und es gab ein Schweinesteak in Pilz-Schinken-Rahmsauce. Ich habe es tatsächlich geschafft (war schwierig), den Teller nicht abzulecken….
Sie setzen einen Trend.Es ist sehr interessant, Ihnen durch das Museum zu folgen.
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